Pflegeversicherung: Voraussetzungen, Leistungen, Pflegesätze

Pflegeversicherung: Voraussetzungen, Leistungen, Pflegesätze
Pflegeversicherung: Voraussetzungen, Leistungen, Pflegesätze
 
Die Pflegeversicherung begann zum 01. 09. 1995 und war das Ergebnis eines fast einjährigen Gesetzgebungsverfahrens. Das Pflegeversicherungsgesetz wurde vom Bundestag und Bundesrat im April 1994 verabschiedet. Die Leistungen aus der Pflegeversicherung sollen dazu beitragen, die Ausgaben für pflegebedingte Sozialhilfen zu reduzieren. Zum Teil ist dies nach Einführung der Pflegeversicherung auch gelungen. Für 1997 wurden die Einsparungen zugunsten der Sozialhilfe auf 10 bis 11 Milliarden DM geschätzt.
 
 Wer ist in der Pflegeversicherung versichert?
 
Es gilt der Grundsatz: »Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung«. In der Pflegeversicherung sind demnach alle Personen versichert, die gesetzlich krankenversichert sind. Dazu gehören neben Erwerbstätigen auch deren nicht erwerbstätige Ehepartner, Kinder, aber auch Rentner, Arbeitslose und Bezieher von Sozialleistungen. Zuständig ist die Pflegekasse, die bei der Krankenkasse eingerichtet wird, bei der der Betroffene Mitglied ist.
 
Wer freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Mitglied ist, kann zwischen sozialer oder privater Pflegeversicherung wählen. Will er einer privaten Pflegeversicherung beitreten, muss er bei der gesetzlichen Krankenkasse einen entsprechenden Antrag stellen. Es konnte bis spätestens 30. 06. 1995 bei der gesetzlichen Krankenkasse ein entsprechender Befreiungsantrag gestellt werden.
 
Wer privat krankenversichert ist, musste zum 01. 01. 1996 entsprechend eine private Pflegeversicherung abschließen.
 
 Was ist der Unterschied zwischen sozialer und privater Pflegeversicherung?
 
Die soziale Pflegeversicherung wird durch ein Umlageverfahren finanziert. 1996 wurde ein Einnahmeüberschuss in Höhe von 2,3 Milliarden DM erwirtschaftet. 1997 wurde ein Einnahmeüberschuss von ca. 1,6 Milliarden DM erzielt. Die soziale Pflegeversicherung muss Rücklagen in Höhe von ca. 4 Milliarden DM führen. Zusätzliche Mittel sind erforderlich, um das demographische Risiko abzudecken: So wird bis zum Jahr 2010 ein Anstieg der Pflegebedürftigen um bis zu 350 000 erwartet. Sollten Mehraufwendungen erforderlich werden, kann die Pflegeversicherung nicht auf den Bund zurückgreifen. Vielmehr hat sie Mehraufwendungen auf Dauer aus den laufenden Beitragseinnahmen zu finanzieren.
 
Auch die private Pflegeversicherung konnte 1996 einen Einnahmeüberschuss verzeichnen, und zwar von 0,1 Milliarden DM. Für Rückstellungen wurden 2,25 Milliarden DM eingestellt. Es ist eine vorgeschriebene Eigenkapitalausstattung in Höhe von ca. 5 % des jährlichen Beitragsvolumens zu bilden.
 
 Wer gilt als pflegebedürftig?
 
Pflegebedürftig sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß Hilfe bedürfen. Dazu gehören neben den körperlichen Krankheiten, wie z. B. Lähmungen oder Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat, auch geistige und seelische Erkrankungen, wie z. B. Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen, aber auch endogene Psychosen, Neurosen oder geistige Behinderungen.
 
 Für welche Bedürftigkeit bietet die Pflegeversicherung Unterstützung?
 
Es muss sich um eine Hilfebedürftigkeit bei Verrichtungen des täglichen Lebens handeln. Dabei werden unterschieden die Verrichtungen
 
— im Bereich der Körperpflege: das Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren und die Darm- und Blasenentleerung.
 
— im Bereich der Ernährung: das mundgerechte Zubereiten der Nahrung sowie die Aufnahme der Nahrung.
 
— im Bereich der Mobilität: selbstständiges Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
 
— im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung: Einkaufen, Kochen, Reinigung der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung, Heizen der Wohnung.
 
Der Pflegebedürftige ist bei den genannten Verrichtungen darauf angewiesen, dass sie für ihn durchgeführt werden, zumindest aber benötigt er Unterstützung oder Anleitung.
 
 Welche Leistungen gewährt die Pflegeversicherung?
 
Die Pflegeversicherung gewährt Sachleistungen oder Geldleistungen. Bei den Sachleistungen handelt es sich um Pflegeeinsätze durch professionelle Pflegekräfte. Diese Pflegekräfte werden von Sozialstationen, mobilen Diensten oder auch privaten Pflegediensten bereitgestellt. Bei den Geldleistungen handelt es sich um Pflegegeld, das dann gewährt wird, wenn die Pflege durch Angehörige, Bekannte oder Nachbarn selbst sichergestellt wird.
 
 Wonach bemisst sich die Höhe der Pflegesätze?
 
Die Höhe der von der Pflegekasse gezahlten Pflegesätze richtet sich nach dem jeweiligen Grad der Pflegebedürftigkeit. Es werden drei Pflegestufen unterschieden. In der Pflegestufe I sind Personen, die als erheblich pflegebedürftig gelten. In der Pflegestufe II sind die Personen, die schwer pflegebedürftig sind. In der Pflegestufe III sind die Personen, die schwerst pflegebedürftig sind.
 
Erheblich pflegebedürftig und damit in der Pflegestufe I sind Personen, die mindestens einmal täglich bei mindestens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen der Körperpflege, Ernährung oder Mobilität Hilfe benötigen sowie zusätzlich mehrfach in der Woche bei der hauswirtschaftlichen Versorgung und bei denen der wöchentliche Zeitaufwand der Pflegeperson mindestens 1,5 Stunden pro Tag im Durchschnitt beträgt. Dabei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen.
 
Schwer pflegebedürftig, also eingestuft in Pflegestufe II, ist, wer mindestens dreimal täglich bei der Körperpflege, Ernährung oder Mobilität Hilfe benötigt sowie zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung, wobei der wöchentliche Zeitaufwand der Pflegeperson mindestens drei Stunden pro Tag im Durchschnitt beträgt und auf die Grundpflege mehr als zwei Stunden entfallen.
 
Schwerst pflegebedürftig, und damit in Pflegestufe III eingestuft, sind Personen, für die jederzeit eine Pflegeperson erreichbar sein muss (Tag und Nacht) und die zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung nötig haben, wobei der wöchentliche Zeitaufwand der Pflegeperson mindestens fünf Stunden pro Tag im Durchschnitt beträgt. Auf die Grundpflege müssen dabei mindestens vier Stunden entfallen.
 
 In welcher Höhe werden Sachleistungen oder Geldleistungen gewährt?
 
Als Sachleistung, also Aufwendungen für professionelle Pflegekräfte, werden in der Pflegestufe I monatlich 750,— DM gezahlt, in der Pflegestufe II 1 800,— DM und in der Pflegestufe III 2 800,— DM. In Härtefällen können bis zu 3 750,— DM gezahlt werden. Wird die Pflege von Angehörigen, Freunden oder Nachbarn verrichtet, so werden als Geldleistungen in der Pflegestufe I monatlich 400,— DM gezahlt, in der Pflegestufe II monatlich 800,— DM und in der Pflegestufe III 1 300,— DM.
 
 Welche zusätzlichen Leistungen bietet die Pflegeversicherung?
 
Im Rahmen der häuslichen Pflege übernimmt die Pflegeversicherung zusätzlich ergänzende Leistungen. Bei Ausfall der Pflegeperson z. B. wegen Urlaub oder Krankheit übernimmt die Pflegekasse bis zu vier Wochen im Jahr die Kosten einer notwendigen Ersatzpflegekraft bis zu 2 800,— DM pro Jahr. Kann die häusliche Pflege für den Pflegebedürftigen nicht — wie erforderlich — lückenlos sichergestellt werden, so hat der Pflegebedürftige einen zeitlich nicht begrenzten Anspruch auf teilstationäre Pflege in Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege. Der Anspruch entsteht, wenn die Pflegeperson teilweise Entlastung benötigt oder eben nicht in der Lage ist, ständig — wie es im Einzelfall erforderlich wäre — für den Pflegebedürftigen da zu sein. Die Pflegekasse bezahlt je nach Pflegestufe einschließlich des erforderlichen Pflegetransports monatlich maximal 750,— DM, 1 500,— DM oder 2 100,— DM. Außerdem hat der Pflegebedürftige einen zeitlich begrenzten Anspruch auf vollstationäre Kurzzeitpflege für die Dauer von maximal vier Wochen pro Jahr. Dies gilt für alle Pflegestufen. Diese zeitlich begrenzte Kurzzeitpflege kann erforderlich werden, wenn die Pflegeperson krankheits- oder urlaubsbedingt ausfällt oder z. B. Umbaumaßnahmen im häuslichen Bereich erforderlich sind, bevor der Pflegebedürftige in die häusliche Pflege überführt werden kann. Die Pflegekassen zahlen kalenderjährlich maximal 2 800,— DM für die erforderliche Kurzzeitpflege. Voraussetzung der Kostenübernahme ist, dass die Pflegeperson mindestens 12 Monate den Pflegebedürftigen in dessen häuslicher Umgebung gepflegt hat.
 
 Welche Leistungen gibt es neben den Aufwendungen für die häusliche Pflege?
 
Pflegebedürftige, die nicht zu Hause gepflegt werden können und auch nicht teilstationär untergebracht werden können, haben Anspruch auf Pflege in vollstationären Einrichtungen. Die Pflegekasse übernimmt die pflegebedingten Aufwendungen bis zu 2 800,— DM. In Härtefällen können Leistungen bis zu 3 300,— DM monatlich gezahlt werden.
 
 Wie wird die Pflegebedürftigkeit festgestellt?
 
Die Einstufung eines Pflegebedürftigen in die zutreffende Pflegestufe erfolgt durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen. Ärzte und Pflegefachkräfte führen im Auftrag der Pflegekasse einen Hausbesuch durch. Dabei wird festgestellt, welchen konkreten Hilfebedarf der Pflegebedürftige hat, von wem die Pflege durchgeführt wird und ob noch anderweitige Möglichkeiten der Rehabilitation bestehen. Zusätzlich wird der medizinische Dienst der Krankenversicherung nach Einwilligung des Pflegebedürftigen weitere Auskünfte bei den behandelnden Ärzten oder Pflegeeinrichtungen einholen. Der medizinische Dienst der Krankenkasse teilt der Pflegekasse mit, ob die Voraussetzungen einer Pflegebedürftigkeit vorliegen und in welche Pflegestufe der Pflegebedürftige einzuordnen ist. Außerdem erstellt der medizinische Dienst der Krankenkasse einen individuellen Pflegeplan. Er enthält die notwendigen pflegerischen Leistungen, Maßnahmen der Prävention und Rehabilitation, eine Prognose über die weitere Entwicklung sowie die Notwendigkeit von Wiederholungsgutachten. Außerdem nimmt der medizinische Dienst im individuellen Pflegeplan dazu Stellung, ob häusliche Pflege in geeigneter Weise sichergestellt werden kann. Die Pflegekasse ist es, die dem Pflegebedürftigen den endgültigen Bescheid erteilt mit der Mitteilung, ob Pflegebedürftigkeit vorliegt oder in welche Pflegestufe der Versicherte eingestuft wird. Dieser Bescheid kann mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs angefochten werden.
 
 Was kostet die Pflegeversicherung?
 
Wer erwerbstätig ist, zahlt 1,7 % seines Bruttogehalts als Beitrag zur Pflegeversicherung, wobei der Versicherte und der Arbeitgeber diesen Betrag je zur Hälfte finanzieren. Als Ausgleich für diese Mehrbelastung der Arbeitgeber wurde mit Ausnahme des Bundeslandes Sachsen in allen Bundesländern ein gesetzlicher Feiertag gestrichen.
 
Kinder und Ehegatten, die kein eigenes Einkommen haben, sind grundsätzlich beitragsfrei mitversichert. Personen, die nach beamtenrechtlichen Bestimmungen im Falle von Krankheit und Pflege einen Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben, erhalten die Leistungen der Pflegeversicherung zur Hälfte. Entsprechend wird der Beitragssatz für sie halbiert. Rentner zahlen ebenfalls 1,7 % in die Pflegeversicherung ein, wobei dieser Beitrag je zur Hälfte vom Rentner und vom Rentenversicherungsträger aufgebracht wird. Für Sozialhilfeempfänger werden die Pflegeversicherungsbeiträge vom Sozialamt gezahlt, für Arbeitslose übernimmt die Bundesanstalt für Arbeit den Beitrag.
 
 Wie sind die Pflegepersonen abgesichert?
 
Grundsätzlich sind Pflegepersonen unfallversichert. Außerdem übernimmt die soziale Pflegeversicherung bzw. die private Pflegeversicherung einen zusätzlichen Beitrag, der an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet wird und zwischen 200,— und 600,— DM monatlich liegt. Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson weniger als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist und den Pflegebedürftigen wenigstens 14 Stunden in seiner häuslichen Umgebung pflegt.
 
Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat kraft Gesetzes den Auftrag, im dreijährigen Abstand über die Entwicklung der Pflegeversicherung und den Stand der pflegerischen Versorgung in der Bundesrepublik Bericht zu erstatten.
 
 
Jürgen Sauer: Sozialhilfe in Einrichtungen nach Inkrafttreten des PflegeVG. Stuttgart 1998.
 Joachim Fox u. a.:Rente. Berlin 41999.
 Thomas Klie: Pflegeversicherung. Einführung, Lexikon, Gesetzestext SGB XI mit Begründung und Rundschreiben der Pflegekassen, Nebengesetze, Materialien. Hannover 51999.
 Uwe Beul: Der einfache Weg zur Pflegestufe. Die Begutachtung im Rahmen der Pflegeversicherung - oder wie erreiche ich eine gerechte Pflegestufe. Hagen 2000.
 Andreas Jürgens: Mein Recht bei Pflegebedürftigkeit. Praxisleitfaden zur Pflegeversicherung. München 22000.
 
Die Pflegeversicherung. Textausgabe mit einer ausführlichen Einführung, bearbeitet von Andreas Besche. Köln 32000.
 
Pflegeversicherung in der Praxis, herausgegeben von Peter Tuschen und Gert von Mittelstaedt. München 2000.
 Joachim Schermer: Sozialversicherung 2000. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Frechen 82000.

Universal-Lexikon. 2012.

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  • Sozialhilfe — Stütze (umgangssprachlich); Sozialfürsorge; soziale Grundsicherung * * * So|zi|al|hil|fe [zo ts̮i̯a:lhɪlfə] die; , n: 1. (früher) Gesamtheit der finanziellen u. a. Hilfen für Menschen in einer Notlage: sie lebt von Sozialhilfe. Syn.: ↑ Stütze… …   Universal-Lexikon

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